Der Mensch denkt, Gott lenkt – als ich im Sommer mit dem Reisebus aus Italien nach Hause fuhr, fiel mir nach ca. sieben Stunden Fahrt diese großartige alte Weisheit wieder ein und entlockte auch unserem freundlichen Fahrer Sigi ein heiteres Lächeln. Der Mensch denkt, Gott lenkt – da könnte man sich auch mal daran erinnern, dass es für Busfahrer vorgeschriebene Lenkzeiten und Pausenzeiten gibt … Womit wir bei der Frage wären, ob es bei Gott auch gewisse Zeiten gibt, in denen er lenkt, und andere, wenn er mal Pause macht. Mir kommt es zumindest so vor, als wäre ihm das richtig ernst mit der Idee, dass wir Menschen im Prinzip frei sind zu tun und zu lassen, was wir wollen, und das dass er sich da nicht einfach einmischt.
Der Mensch denkt, Gott lenkt. Lenkt Gott … den Reisebus, die menschliche Freiheit, Gottes Handeln…?
Wie sieht es denn eigentlich mit vorgeschriebenen Denkzeiten aus, also für die Menschen jetzt, meine ich. Ist ja leicht gesagt, dass die Welt anders aussehen könnte, wenn Gott etwas mehr lenken würde, aber ist es nicht auch irgendwie so, dass die Welt besser aussähe, wenn wir Menschen etwas mehr denken würden? Ich meine jetzt nicht, dass wir alle gleich ´ne Doktorarbeit übers Busfahren über Kants Kritik der praktischen Vernunft schreiben müssen, aber einfach mal öfter das Hirn einschalten und denken oder sogar mitdenken, das wär doch nicht schlecht. Oder wenigstens ab und zu mal das Herz einschalten und fühlen oder oder sogar mitfühlen, wie es den anderen gerade so geht, das müsste ich doch hinkriegen, oder?
aus:
Klaus Vellguth (Hrsg.), Firmung vernetzt. Die Welt ist nicht genug. Jugendbuch, S. 33.